Die Barbiemania ist ausgebrochen. Man sollte aber genau hingucken, der Film ist nur auf den ersten Blick progressiv. Auf den zweiten ist er elitaristisch.

Regisseurin Greta Gerwig hat es also getan, sie hat Barbie für einen Kinofilm auferstehen lassen. Gerwig ist die Shootingstar der letzten Jahre. Mit Filmen wie Lady Bird oder Little Women wurde sie zur Ikone des neofeministischen Kinos. Frauen sind ihr Sujet. Dagegen ist wirklich nichts einzuwenden. Was sie allerdings mit Barbie angerichtet hat, ist nicht nur bloß kritikwürdig, sondern geradezu ein Attentat auf das progressive Denken.

Abreise aus Barbieland
Natürlich vermittelt man das ganz anders. Barbie sei feministisches Kino und damit fortschrittlich, erfährt man aus den Lichtspielspalten der Zeitungen. Das kann nur von Leuten kommen, die den zeitgenössischen Feminismus lediglich als das verstehen, was er ist. Als einen Madamismus, also als eine Denkverweigerungsschule von Frauen aus besseren Kreisen, die so tun, als seien sie die Stimme aller Frauen überhaupt. Wie ein roter Faden zieht sich ein regressiver Unterton durch den gesamten Film. Aber der Reihe nach.

Zunächst mal sollten wir kurz besprechen, worum es in dem Film geht. Barbie lebt in Barbieland. Einem quietschbunten Ort, der wie eine Ansammlung von Pappfassaden aussieht. Diese Kulisse passt aber zum Film, sie ist gewollt billig; soll nach Spielzeug aussehen. In Barbieland regieren die Frauen, das Matriachat hat die Kens im Griff. Ken ist ja in jedem Mädchenzimmer bloß als Begleiter des blonden Powerhungerhakens zu finden. Ob je jemals ein Mädchen nur Kens haben wollte? Die Stereotyp-Barbie, gespielt von der in dieser Rolle als Verschwendung zu betrachtenden Margot Robbie, hat ihren Ken an der engen Leine, so wie alle Barbies ihre Kens dominieren. Den Hauptcharakter-Ken mimt Ryan Gosling, der endlich mal eine für ihn adäquate Rolle gefunden hat.

Es kommt, wie es kommen muss, es ziehen Wolken über dem Paradies auf. Barbie muss in die reale Welt. Die Gründe sind hanebüchen. Sie dienen einzig und alleine dem Zweck, die Geschichte in Bewegung zu setzen. Schon daran erkennt man das Dilemma eines Filmes, der nur Botschaften transportieren will. Ken geht mit auf große Fahrt und ist schnell begeistert, denn in der realen Welt haben die Männer die Hosen an. Hier serviert man den Zuschauern einen tristen Topos, in dem die Herren der Schöpfung auftreten wie Trampeltiere. Überspitzung ist ein Stilmittel. Und für Filme, die ideologisieren, ist dieses Stilmittel die einzige Option.

Ken hätte so viel Männlichkeit auch gerne für Barbieland. Bei der Rückkehr wiegelt er seine Mit-Kens auf. Und prompt hängt der Landsegen schief. Der Rest ist Gewese, man einigt sich zwar schlussendlich, schließlich sollen sich die Zuschauerinnen und Zuschauer einigermaßen versöhnlich aus dem Kino schieben. Aber zwischendrin ist anspruchsloser Kulturkampf.


Reinigungs- und Dienstherrinnen-Barbies
Barbie zeigt aber noch etwas, was nur zwischen den Zeilen des Drehbuchs sichtbar wird. Es ist eine Geschichte der dünkelhaften Halsstarrigkeit. Und der Immobilität. Die Kens mögen doch bitte untergeordnet bleiben, ist eine Botschaft. Und in der realen Männerwelt sind es die Frauen, die sich einpassen sollen. Aber noch etwas fällt auf. Auch die verschiedenen Barbie- und Ken-Modelle haben ihren festen Platz in der Gesellschaft.

So gibt es auch Reinigungsbarbies in Barbieland. Auch sie lächeln um die Wette mit ihren Dienstherrinnen-Barbies. Jeder hat eine fest zugeteilte Rolle. In Barbieland haben die Bewohner feste Namen. So gibt es Strand- und Stadt-Barbies und –Kens, Holliday-Barbies und Pool-Barbies, Kinderärztin-Barbies und Wissenschaftlerin-Barbies. Und im Film eben auch Gesinde-Barbies und –Kens. Und jede und jeder ist glücklich dort, wo er ist. Barbieland ist ein harmonischer Platz. Aber nur, weil es keine gesellschaftliche Mobilität gibt, weil sich abgefunden wird mit der zugedachten Situation. Partikularinteressen entstehen in so einem Gebilde nicht. Falls doch, verkneift man sie sich.

Wir müssen uns Barbieland als feudale Gesellschaft vorstellen. Als das Gemeinwesen elitärer Zirkel, in dem man zum Lächeln verurteilt wird. Wenn alle wissen, wo ihr Platz ist, dann blendet man Unzufriedenheiten aus. Damit ist die Unzufriedenheit natürlich nicht verschwunden. Aber sie ist kein Thema mehr, man spricht stattdessen über andere Dinge. Und so spricht der Film stets davon, dass es die Gesellschaft ist, die das aus einen macht, was man ist. Selbstoptimierung ist im Film Barbie ein Thema. Anders könnte es gar nicht sein. Jedoch kommen nie die ökonomischen Verhältnisse zur Sprache. In einer feudalen Gesellschaft gibt es nun mal keine soziale Frage. Bonzen-Barbie tut progressiv, sie ist es aber nicht.

Hollywoods Drehbuchautoren wissen nicht wo ihr Platz ist
Was Greta Gerwig hier versucht ist noch nicht mal, den Neofeminismus und all seine Taschenspielerinnentricks mit dem Hammer in uns einzuschlagen. Es ist viel schlimmer, sie spricht einer Ideologie das Wort, die den gesellschaftlichen Stillstand und damit das Ende des Klassenkampfes ausruft. Dem Elitarismus nämlich.

Man darf der Regisseurin aber auch dankbar sein. Mit diesem Kinofilm hat sie ein Paradebeispiel für den Murks geliefert, den Identitätspolitik verursacht. Denn es ist nicht nur so, dass Identitätspolitik einseitig betrachtet und einen Opferdiskurs entfacht. Sie neigt auch dazu, ein Staats- oder Gemeinwesen zu favorisieren, das als Idyll propagiert wird und in dem klassenkämpferische Ansätze nicht mehr existieren. Nicht weil alle genug haben, es kein Protestpotenzial mehr gibt, also die Armut abgeschafft wurde. Sondern weil jeder seinen Platz hat und zufrieden sein sollte. Woanders zu heulen ist die dringende Empfehlung an die, die unten stehen.

Barbie ist ein ideologischer Film. Zudem ein schlecht gemachter. Wenn es das ist, was Drehbuchautoren in Hollywood fabrizieren, sollte man drei Kreuzzeichen machen, dass sie sich augenblicklich im Streik befinden. Wobei man sieht, im realen Leben streiken Drehbuchautoren durchaus. Wären die Drehbuchautoren-Barbies gäbe es diese Option nicht. Der identitätspolitischen Esoterik trauen die realen Autoren in Wirklichkeit nicht über dem Weg. Den Zuschauer traktieren sie aber mit dieser Lehre. Sie selbst finden sich schließlich nicht damit ab, einen fest zugewiesenen Platz zu belegen, ohne ihre Eigeninteressen im Blick zu behalten und für sie einzustehen.

Auch die Schauspieler streiken derzeit in Los Angeles. Würden sie die Barbie-Logik anwenden, wäre das gar nicht nötig. Sie müssten nur lächeln und dort zufrieden sein, wo sie gerade sind. Sie wären Schauspieler-Barbies und -Kens, zu mehr wären sie nicht berufen. Die großen Studios sehen es tatsächlich so. Sie sind Feudalherren seit Kinogedenken. Mit Identitätstrara kommt man nicht weiter. Außer man ist Feudalherr, da freut man sich ziemlich über so viel Identitätsbewusstsein, das in sozialen Fragen lähmt. Barbieland ist ein Feudalherrenmärchen. Was genau ist daran progressiv?

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